Was wäre, wenn Elternberatung so selbstverständlich wäre wie der Eltern-Kind-Pass?

Ein persönlicher Blick auf das, was möglich wird, wenn Eltern sich unterstützen und begleiten lassen

Seit über 35 Jahren begleite ich Familien – zuerst als Lehrerin für Mathematik, Latein und Persönlichkeitsentwicklung und inzwischen seit mehr als 10 Jahren als systemische und beziehungsorientierte Eltern- und Familienberaterin. Wenn ich zurückblicke, dann zieht sich ein Thema wie ein roter Faden durch mein Leben und meine Arbeit: die Pubertät

Sie ist mein absolutes Herzensthema. Nicht, weil sie einfach wäre – sondern weil sie so viel sichtbar macht. Spätestens in dieser – für Eltern und Jugendliche – so herausfordernden Lebensphase, werden alte, manchmal auch zerstörerische Beziehungsmuster, die bisher irgendwie funktioniert haben, sichtbar und beginnen zu wackeln. Das Gleichgewicht in der Familie verändert sich – und mit ihm auch das eigene Selbstbild als Mutter oder Vater.

Tagtäglich begegnen mir Eltern, die an sich zweifeln. Die sich fragen, was mit ihnen oder ihren Kindern nicht stimmt. Was sie die letzten Jahre falsch gemacht haben? Die sich selbst nicht mehr wiedererkennen. Die spüren, dass etwas nicht mehr rund läuft, aber nicht wissen, wo sie ansetzen sollen. Und gleichzeitig ist da oft dieses Gefühl von Scham. Als hätte man versagt. Als dürfe man sich erst Hilfe holen, wenn man gar nicht mehr weiterweiß.

Dabei frage ich mich seit vielen Jahren:
Warum glauben wir überhaupt, dass wir die Begleitung unserer Kinder allein können müssten?

Woher kommt dieser unausgesprochene Anspruch, als Eltern einfach funktionieren zu müssen – liebevoll, konsequent, reflektiert, geduldig, präsent? Als ob wir automatisch wüssten, wie Beziehung mit einem Teenager geht. Wie man Grenzen setzt, ohne zu verletzen. Wie man da bleibt, wenn das Kind geht. Wie man Ruhe bewahrt, wenn innen drin längst ein Sturm tobt.

Viele Eltern erzählen mir, dass sie plötzlich Gefühle erleben, die sie nicht kannten – zumindest nicht in dieser Intensität. Da ist bedingungslose Liebe und tiefe Nähe. Aber auch Überforderung, Wut, Ohnmacht, Erschöpfung. Und dabei sind sie sich oft nicht bewusst, dass es nicht das Kind ist, das diese Gefühle auslöst. Sondern die eigene Geschichte, die da auf einmal wieder auftaucht. Die alte Kränkung. Das nie gesehene Bedürfnis. Der eigene innere Schmerz. Denn unsere Kinder können nur die Gefühle in uns auslösen, die in uns sind.

Ich erinnere mich an eine Mutter, die in meiner Praxis saß und sagte:
„Ich habe so reagiert wie meine Mutter damals. Ich wollte das nie. Und trotzdem kam es einfach aus mir heraus, als mein Kind mich beschimpfte.“

Und ich erinnere mich an einen Vater, der verschämt aussprach:
„Ich will nicht schreien. Aber ich weiß manchmal nicht, wie ich sonst gehört werde, wenn mein Sohn wieder einmal nicht aufhört zu zocken.“

Das sind keine Einzelfälle. Das sind echte, menschliche Erfahrungen. Und sie zeigen: Elternsein berührt uns in den tiefsten Schichten. Es ruft uns – nicht nur in unserer Verantwortung, sondern auch in unserer Verletzlichkeit.

Deshalb finde ich es so wichtig, dass wir beginnen, anders über Elternberatung zu sprechen.

Nicht als Reparaturmaßnahme.
Nicht als Eingeständnis von Versagen.
Sondern als etwas ganz Natürliches. Als ein Raum, der stärkt, klärt und entlastet.

Ein Ort, wo Du nicht bewertet wirst, sondern gesehen.
Wo Du mit Deiner Geschichte willkommen bist.
Wo Du Dich nicht erklären musst, sondern Dich selbst besser verstehen darfst.

Denn was in der Beratung geschehen kann, ist oft tiefgreifend – nicht nur für Dich, sondern auch für Dein Kind. Wenn Du Dir selbst begegnest, wenn Du beginnst, Zusammenhänge zu erkennen, wenn Du Dich traust, alte Prägungen zu hinterfragen, dann verändert sich etwas. Manchmal still. Manchmal sanft. Aber manchmal auch herausfordernd und deine Welt gefühlt aus den Angeln hebend.

Dein Kind erlebt Dich dann nicht mehr als „funktionierende“ Mama oder Papa – sondern als echten Menschen. Einen, der zuhören kann. Der klar ist. Der sich selbst kennt. Und genau deshalb auch sein Kind sieht.

Ich wünsche mir eine Welt, in der das selbstverständlich ist.
In der Persönlichkeitsentwicklung Teil des Elternseins ist.
In der Menschen sich begleiten lassen dürfen – nicht, weil sie schwach sind, sondern weil sie stark genug sind, hinzuschauen.

Denn ich bin überzeugt: Wenn Eltern sich selbst besser verstehen, können sie ihre Kinder besser begleiten. Wenn alte Muster sich lösen dürfen, entsteht Raum für lebendige Beziehung. Wenn Selbstwert und Verbindung von Anfang an erlebt werden, muss man sie später nicht mühsam „aufbauen“. Und wenn Familien sich frühzeitig Hilfe holen, bevor etwas zerbricht, kann etwas ganz Neues wachsen.

Ich glaube fest daran, dass Familienberatung nicht nur einzelne Beziehungen stärkt – sondern auf lange Sicht unsere Gesellschaft verändert. Weil Kinder, die mit echter Verbindung aufwachsen, Erwachsene werden, die Beziehungen leben können. Und weil Eltern, die sich selbst kennen, liebevoller, freier und authentischer leben.

Und vielleicht ist genau jetzt der richtige Moment für Dich, diesen Weg zu gehen.

Nicht, weil Du etwas falsch gemacht hast.
Sondern weil Du spürst, dass es anders, leichter, ehrlicher gehen darf.
Weil Du nicht perfekt sein musst – aber bereit, Dich selbst kennenzulernen.
Und weil Du Dir selbst und Deinem Kind etwas schenken möchtest, das bleibt: echte Beziehung.

Damit dich dein erwachsenes Kind einmal freiwillig besuchen kommt und nicht, weil es sich verpflichtet fühlt.

Herzliche Grüße
Deine Ines Berger
www.inesberger.at


Über die Autorin

Ines Berger ist nicht nur zweifache Mutter, Pubertätsexpertin, Familienberaterin, ehemalige Lehrerin und Elternermutigerin, sondern sie ist seit über 35 Jahren leidenschaftlich im Einsatz, Familien liebevoll auf ihrem Weg des miteinander Wachsens zu begleiten. Gerade die Pubertät ist ihr Herzensthema. Sie sieht sie als Schatzkiste für Wachstum. Denn wenn Jugendliche beginnen, sich abzunabeln, dann gibt es auch für die Eltern viel Potential für Weiterentwicklung. Mütter und Väter von heute sind wie Pionier*innen unterwegs. Das Selbstverständnis, wie „richtige“ Erziehung funktioniert, existiert nicht mehr. Sie möchten andere, vielleicht „bessere“ Wege gehen, als ihre eigenen Eltern. Doch auf diesem Weg gehen viele Eltern über ihre eigenen Grenzen. Sie wollen keine Fehler, sondern es „perfekt“ machen. Was auch immer das konkret bedeuten mag. Doch Eltern müssen nicht perfekt sein! Denn Kinder brauchen keine perfekten Eltern – good enough is the new perfect! Und dafür braucht es BEziehung statt ERziehung. So kann eine neue Eltern-erwachsenen Kind-Beziehung auf Augenhöhe entstehen, die es ermöglicht, dass dich dein erwachsenes Kind in Zukunft freiwillig besuchen kommt und nicht, weil es sich verpflichtet fühlt.

Das 1×1 der Pubertät“ https://inesberger.kartra.com/page/onlinekurs-1×1-der-pubertaet/

„Medienkonsum und Pubertät – Verstehen und begleiten statt verbieten“ https://inesberger.kartra.com/page/LP-Onlinekurs-MuP